Forum für interdisziplinäre Forschung, Bd. 14, Softcover, 267 Seiten
Die auf Wissenschaft, Technik und Marktökonomie beruhende Industriegesellschaft ist mit zwei zentralen Konfliktfeldern im Hinblick auf Technikentwicklung und Technikverwendung konfrontiert. Schon mit dem Beginn der industriellen Revolution gingen auf Arbeitsproduktivitätssteigerung zielende Innovationsschübe mit Beschäftigungskrisen und Prozessen der Sinnentlehrung industrieller Erwerbsarbeit einher. Erste Überlegungen und Konzepte zu einer sozialverträglichen Technikgestaltung entstanden, insbesondere in Deutschland, bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. Die sozialen Folgen des technischen Fortschritts wurden auf Grund ihrer unmittelbaren existentiellen Bedrohungen naturgemäß als erste spürbar und induzierten entsprechende Reaktionen.
Seit der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts sind — zunächst in den westlichen Industriestaaten — die ökologischen Folgen der technischen Zivilisation in den Mittelpunkt der kritischen Wahrnehmung gerückt. Obgleich etwa der Schadstoffausstoß oder Ressourceneinsatz pro Produkteinheit in vielen Branchen seit der Jahrhunderwende drastisch gesunken ist, führt das exponentielle Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum zu einer absoluten Zunahme der ökologischen Belastungen, die inzwischen weit über die unmittelbaren Industrieregionen hinausreichen. Es entstanden Umweltbewegungen, die den Ausgangspunkt für die inzwischen national und international etablierte Umweltpolitik bildeten.
Auf der Ebene der Wissenschaft, insbesondere der sozialwissenschaftlichen Technikforschung wurden Konzepte und Institutionen erarbeitet, die sich um die Entwicklung von Instrumentarien zur Technikbewertung und Technikfolgenabschätzung bemühten, um so Beiträge zu einer rational begründeten Technologiepolitik liefern zu können, die über eine Risikoabschätzung hinausgehen sollten. Insbesondere in den 70er Jahren waren diese Konzepte unter systemtheoretischen Bezug mit einem rationalen Steuerungsanspruch verknüpft. Zunehmende Einsichten in die Komplexität sozialer Strukturen und die Tatsache, daß diese Strukturen — wenn überhaupt — nur durch hochgradig nichtlineare Modelle rekonstruiert werden können, die keinerlei langfristige Prognosen zulassen (selbst wenn sie deterministisch sind) haben zu einer Relativierung der Erwartungen, die an Technikfolgenabschätzung geknüpft waren, geführt. Daher plädiert die sozialwissenschaftliche Technikforschung für einen Paradigmenwechsel von der Technikfolgenabschätzung zur Technikgeneseforschung. Hier spielen Leitbilder eine bedeutsame Rolle.