Forum für interdisziplinäre Forschung, Bd. 13, Softcover, 176 Seiten
Mathematische Modelle, soweit es sich nicht um solche aus der statistisch beeinflußten empirischen Sozialforschung handelt, gehören noch nicht zum Standardrepertoire sozial-wissenschaftlicher Theoriebildung. Folglich findet sich die Methode der mathematischen Modellierung gesellschaftlicher Problemfelder fast nie in den Lehrplänen der Studiengänge wieder. Eine Ausnahme bilden die ökonomischen Disziplinen. Zudem trifft man bei Sozialwissenschaftlern nicht selten auf eine ausgesprochene Reserviertheit gegenüber diesem Methodenzweig. Es steckt offen oder verdeckt die Auffassung dahinter, „naturwissenschaftliche“ Methoden ließen sich nicht auf sozialwissenschaftliche Fragestellungen anwenden. Mit anderen Worten: Die Bedeutung von mathematischen Modellen hängt von gewissen methodischen und theoretischen Grundentscheidungen ab.
Nicht zuletzt im Hinblick auf mögliche interdisziplinäre Zusammenarbeit ist an dieser Stelle die Auffassung von der prinzipiellen methodischen Einheit der empirischen Wissenschaften von zentraler Bedeutung.
Wenn Modellbildung und Simulation Bausteine einer theoriegeleiteten Forschung sind, so ist zu fragen, wie Forscher zu ihren Theorieelementen kommen. Bei wechselwirkungsbehafteten Systemen, die überdies von ihrer jespezifischen Vergangenheit abhängen, erreicht man mit, wie Dietrich Dörner polemisch anmerkt, „ritualhaft varianzanalytischem Empirizismus“ nicht viel. Vielmehr bedarf es kontinuierlicher Einzelfallbeobachtungen, um dem Verhalten solcher Systeme auf die Spur zu kommen. Um von diesen „vortheoretischen“ Beobachtungsdaten zu testbaren Hypothesen zu gelangen, ist ein einfühlendes Verstehen sehr hilfreich. Freilich darf dabei nicht übersehen werden, daß die Plausibilität der so gewonnenen Hypothesen die Gültigkeit des „nomologischen Kerns“ einer Theorie, die dieses „Verstehen“ ermöglicht, schon voraussetzt. Ein Beispiel ist der Nutzenbegriff des Rational-Choice-Ansatzes.